Freitag, Juni 23, 2006

BUCKELMANNS ASIATISCHER ABEND (Das Ende der Geschichte)

[Eine Fortsetzung aus: "BUCKELMANN, IMMER WIEDER BUCKELMANN"]

Nach dieser frohen Kunde begann Buckelmann seine Hauptspeise zu essen. Das heißt eher: Buckelmann begann sein Essen zu zelebrieren. Als erstes modellierte er auf seinem Teller aus Reis den südöstlichen Teil des 'Tjen Shan'-Gebirges, wobei allein der Gipfel des 'Chan Tengri' schon die überraschten Blicke einer weiblichen Bedienung erregte. Fast glaubte Buckelmann, dass sie keine Mandelaugen hätte, so sehr riss die Dame ihre Augen auf. Um das Gebirge herum legte Buckelmann sodann den 'Inyltschek'-Gletscher an, den er aus Morcheln und Chinakohl wohl gestaltete. Die Kokosmilch diente ihm sodann als Gebirgsbach und gehackte Frühlingszwiebeln waren die ideale Vegetation. Als Buckelmann auch noch aus Glasnudeln, die er über dem zuvor zur Erwärmung der Speisen dargereichten Stövchen im Siebziger-Jahre-Design mit Reisschnaps kurz derart flambierte, als habe er es jahrelang in den Garküchen von Jinan erlernt, und so Gipfelnebel über sein Essen zauberte, durchflutete ehrfürchtiges Schweigen den Jade-Pavillion. Herr Xu wies die anderen Gästen mit kurzen Silben an, dass sie nun leider nach Hause gehen müssten und dankte für den Besuch des asiatischen Abends.

Als das Lokal sich geleert hatte, waren dort nur noch Buckelmann, Herr Xu, dessen Sohn Han, die drei weiteren Bedienungen und das Küchenpersonal. Die einzige weibliche Bedienerin trat zu Buckelmann und fragte ihn "Was möchten trinken?". Buckelmann bewunderte die Fähigkeit der Asiaten, den Gast nach seinen Wünschen zu fragen, bei einfachsten Bestellungen dann zwar Schwierigkeiten mit den Grundnahrungsmitteln zu haben, dem Gast schließlich aber trotzdem die Nummer 471 mit der als Änderungswunsch bestellten 'Hoi-Sin'-Sauce wohltemperiert zu servieren.

Buckelmann aß seine Mahlzeit - selbstverständlich mit Stäbchen und ohne zu fragen, aus was man si ehergestellt hatte - unter den Augen aller Anwesenden. Als er geendet hatte, natürlich nicht ohne einen angemessenen Rest auf dem Teller zu belassen (Chinesen sind nämlich beleidigt, wenn man alles isst, zeigt man doch so dem Gastgeber, dass er von Allem zu wenig serviert hatte), sagte Herr Xu zu ihm: "Mein Herr, Sie sind ein großer Meister des Chinesischen Essens. Es war uns eine Ehre, dass Sie uns dies heute gezeigt." Buckelmann nickte sanft und fühlte sich tatsächlich geehrt.

"Ihr Essen geht selbstverständlich auf das Haus" sprach Herr Xu und fügte an, ob Buckelmann sonst noch einen Wunsch habe. "Vielleicht Zikadenspieße, Käfer kross, Skorpion mit süß-saurer Sauce ... oder kann ich Ihnen eine Dame bringen?" Buckelmann schaute erstaunt in Herrn Xus freudestrahlende Augen. Mit einer Frau als Nachspeise hatte er heute Abend nicht unbedingt gerechnet und so fragte er nach, was dieses Angebot zu bedeuten habe. "Nun", fuhr Herr Xu fort "ich könnte Sie mit Fräulain Ling-Liu bekannt machen. Das ist die Dame, die Sie bedient hat. Sie sagte mir vorhin, dass Sie gerne einmal einen großen Meister der asiatischen Esskultur kennen lernen möchte." In diesem Moment wusste Buckelmann, dass er Herrn Xu, Ling-Liu und nicht zuletzt sich selbst diesen Wunsch nicht würde ablehnen konnte.

An diesem Abend wurde Ling-Liu seine Nachspeise und behielt diese Rolle bis zum heutigen Tag bei, wann immer Buckelmann im Jade-Tempel chinesisch Essen geht. Dies ist umso erstaunlicher, wenn man bedenkt, dass Ling-Liu selbst nicht gerade eine Meisterin der asiatischen Esskultur ist. Sie führt ihr Schälchen mit Essen flink an den Mund und schiebt dann das Essen mit Hilfe der Stäbchen wie ein Schaufelbagger in sich hinein. Zum Schlucken nimmt sie sich dabei kaum Zeit. Kein Wunder, denkt Buckelmann, dass Fast-Food-Ketten bei Chinesen so beliebt sind. Andererseits geht nichts über das chinesische Essen, das Ling-Liu ihrem Buckelmann kocht. Wohl auch wegen der Nebenwirkungen, die erst Stunden später auftreten: Der Mund verwandelt sich dank Glutamat langsam in eine Wüste. Noch beim Einschlafen fühlt sich Buckelmann wie ein Verdurstender, obwohl er da schon literweise Wasser getrunken hat. Aber Ling-Lius Liebe zu ihm, das weiss Buckelmann inzwischen, heilt am Ende alle seine Wunden. Selbst wenn sie dafür ihr letztes Hemd hergibt.

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